Griechenland verschärft seine Asylpolitik drastisch. Illegale Einwanderer sollen künftig sofort in Haft. Was der neue Migrationsminister plant, geht noch weit darüber hinaus.
Zum vierzigsten Jubiläum des Schengener-Abkommens werden die Grenzkontrollen in der EU verschärft. Die deutschen Grenzkontrollen haben Auswirkungen auf die Asyl- und Migrationspolitik der übrigen EU-Staaten.
„Die Migrationswende Deutschlands wirkt sich direkt auf Griechenland aus, wobei Sekundärmigration und Flüchtlingsrückführung im Mittelpunkt stehen“ titeln griechische Medien wie der Sender Skai TV.
Griechenland erwartet einen zeitnahen Staatsbesuch von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). Gleichzeitig werden mit einer Verschärfung des Asylrechts harte Fakten geschaffen. Außerhalb von Deutschland kommt es zu gesetzlichen Regelungen, welche den Forderungen der AfD sehr nah kommen. Wer ausreisen muss, kommt künftig in Griechenland sofort in Haft.
„Wir werden dieser Bitte nicht sehr freundlich nachkommen“
Rückführungen von zuerst in Griechenland registrierten Flüchtlingen und Asylbewerbern lehnen die Hellenen ab. Obwohl in Griechenland mit der Nea Dimokratia die EVP-Schwesterpartei der Union in einer Alleinregierung herrscht, kann Dobrindt keineswegs auf die volle und bedingungslose Solidarität der Griechen setzen. Der griechische Migrationsminister Makis Voridis bemerkte dazu im Interview beim Sender Skai:
Einige Menschen sind von Griechenland nach Deutschland gereist, wo sie ihre Asylanträge stellen. Griechenland ist derzeit das Land mit der zweithöchsten Pro-Kopf-Quote an Migranten. Es ist ein Aufnahmeland.
Das gleiche gilt für die Anzahl der Asylanträge pro Einwohner. Daher können wir jetzt nicht über Rückführungen sprechen. Welche Rückführungen? Das verletzt den Grundsatz der gerechten Verteilung im Rahmen der europäischen Solidarität. […] Wie könnten wir Rückführungen durchführen, wenn nicht zuerst eine gerechte Verteilung erreicht wird?
Auf eine weitere Nachfrage zu den von Deutschland geforderten Rückführungen betonte Voridis, „wir werden dieser Bitte nicht sehr freundlich nachkommen“.
Grenzen auch in Griechenland zu!
Voridis ist seit dem 15. März Migrationsminister. Seine erste Bilanz besagt, dass in den ersten vier Monaten von 2025 die strengere griechische Küstenwache die Zahl der Migranten um dreißig Prozent vermindern könnte. Er streitet ab, dass es verbotene Pushbacks gäbe:
Ich weiß nichts darüber, wir haben keine Informationen über einen solchen anhängigen Fall. In Griechenland sagen wir immer, dass das Land eine europäische Grenze ist. Wir bewachen die Grenzen Europas, das ist die Aufgabe unserer Küstenwache.
Trotz gegenteiliger Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gehört das Abstreiten von Pushbacks zum Standard-Repertoire der griechischen Politik und der regierungsnahen Presse. „Wir kämpfen, um die Grenzen Griechenlands und Europas vor unkontrollierter illegaler Einwanderung zu schützen“, heißt es von Seiten Voridis‘, der darauf verweist, dass in „vierzig Prozent unserer Gefängnisse Schleuser“ einsitzen.
Keine nachträgliche Legalisierung von illegalen Grenzübertritten
Der Minister macht bei jeder Gelegenheit deutlich, dass er auf maximale Härte setzt. Unter seiner Regie wurde eine Gesetzesnovelle ausgearbeitet, der zufolge abgelehnte Asylbewerber und illegal ins Land gekommene Migranten inhaftiert werden sollen. Der Vorschlag wurde bereits vom Kabinett abgesegnet und wartet auf die gesicherte Ratifizierung vom Parlament.
Ein als illegal gewerteter Gesetzesübertritt führte bislang zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten. Bei Migranten ohne gültige Ausweispapiere hatte der Staat keine Handhabe und konnte ohne Kenntnis des Herkunftslands auch nicht abschieben. Mit dem neuen Gesetz gibt es automatisch eine Inhaftierung, welche die Zermürbung der Migranten zum Ziel hat.
Jetzt ändern wir den Kontext: Die Strafe erhöht sich auf zwei bis fünf Jahre Gefängnis, ohne Möglichkeit einer Umwandlung, ohne Bewährung. […] Nur wenn er sich bereit erklärt zu gehen, wird die Vollstreckung der Strafe ausgesetzt – und er wird somit gezwungen, seine wahre Identität preiszugeben.
Mit der unerbittlichen Härte möchte Voridis einen für ihn unerträglichen Missstand beenden. „Die griechische Polizei hat im vergangenen Jahr 75.000 Festnahmen vorgenommen, doch nur 500 bis 1.000 Menschen wurden zwangsweise in Drittstaaten abgeschoben“, klagte der Minister. Ihm zufolge sind 97 Prozent der Asylbewerber ohne gültige Ausweispapiere.
Einen Ausweg aus der Haftanstalt gibt es für abgelehnte Asylbewerber künftig nur durch freiwillige Ausreise. Die Inhaftierung droht bereits beim Berufungsverfahren nach abgelehntem Antrag. Schon zu seinem Amtsantritt versprach Voridis im Sender MegaTV, „illegale Einwanderer dürfen nicht in Griechenland und der Europäischen Union bleiben.“ Mit seinem neuen Gesetz wird auch das Schlupfloch einer nachträglichen Legalisierung geschlossen:
Wir schaffen die Legalisierung nach siebenjährigem Aufenthalt ab. Wer illegal in Griechenland ist, wird nie legalisiert.
Obdachlosigkeit für anerkannte Asylbewerber
Ausreisepflichtige oder ausgewiesene Migranten, die erneut ins Land kommen, werden zusätzlich zur Haft mit Geldstrafen von 10.000 bis 50.000 Euro belegt. Schlechte Zeiten kommen jedoch auch auf anerkannte Asylbewerber zu. Es gibt, wie die Opposition beklagt, einen ministeriellen Befehl, anerkannte Asylbewerber aus den Flüchtlingslagern zu verweisen.
Ohne Arbeit, Sozialhilfe oder finanzielle Rücklagen droht anerkannten Flüchtlingen, auch alleinstehenden Frauen mit Kindern, dann die Obdachlosigkeit. Damit dürfte aber faktisch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 30/2025 vom 16. April 2025 ad absurdum geführt werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte festgestellt, dass anerkannte Flüchtlinge in Griechenland „zumindest in temporären Unterkünften oder Notschlafstellen mit grundlegenden sanitären Einrichtungen unterkommen“ könnten und damit nichtvulnerablen anerkannten Flüchtlingen in Griechenland keine unmenschliche oder erniedrigende Aufnahmesituation droht.
https://www.telepolis.de/features/Griechenland-macht-Ernst-Asylrecht-wird-radikal-verschaerft-10448102.html