3. Dezember 2025

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Geplanter Schulstreik gegen neuen Wehrdienst: Proteste in über 50 Städten angekündigt

 

Bundesweit formiert sich Widerstand gegen den geplanten Wehrdienst. Schüler wollen am 5. Dezember in zahlreichen Städten demonstrieren – unterstützt von Eltern, Gewerkschaften und politischen Gruppen. Doch vor Ort wissen viele Schulen bislang nichts von den Aktionen.

In Kürze:

  • Schulstreik gegen Wehrpflicht“ am 5. Dezember
  • Aktionen in mindestens 58 Städten
  • Protest gegen Musterung ab 2027 und mögliche Verpflichtung per Los
  • Bisher geringe Wahrnehmung in Schulen – Mobilisierung primär über Social Media
  • Auch am 5. Dezember: Abstimmung über neuen Wehrdienst im Bundestag

Der geplante neue Wehrdienst stößt in Teilen der deutschen Jugend auf Kritik.
Schon im kommenden Jahr soll ein Fragebogen an alle 18-jährigen Männer und Frauen ergehen, der das Ziel verfolgt, Freiwillige für den Dienst in der Bundeswehr zu gewinnen. Ab Juli 2027 sollen dann alle Männer, die ab dem 1. Januar 2008 geboren wurden, zur Musterung verpflichtet werden.
Am Freitag, 5. Dezember, wollen manche Schüler bundesweit dagegen auf die Straße gehen. Der „Schulstreik gegen Wehrpflicht“ soll dabei in mindestens 58 Städten stattfinden.
Auf der Website der Organisatoren ist aufgeführt, in welchen Städten es „Streikkomitees“ gibt und wo es zu Aktionen kommen soll. In den meisten Fällen sind auch Beginnzeiten genannt. Die Bewerbung der Schulstreikaktionen findet vorwiegend über Instagram statt. Allerdings verbreiten sich Aufrufe mittlerweile auch über andere Social-Media-Kanäle.

Politiker aus Linkspartei, BSW, PARTEI und AfD billigen Aufruf

Unterstützung für die Aufrufe kommt unter anderem aus Teilen der Elternschaft, Lehrern, Gewerkschaften und Initiativen wie dem Bundesausschuss Friedensratschlag. Auch einzelne Schülervertretungen und Jugendverbände wie die „Falken“ haben sich mit dem geplanten Schulstreik solidarisiert.
Auf parteipolitischer Ebene haben sich in einigen Städten die örtlichen Gliederungen der Linkspartei und des BSW hinter die geplante Aktion und das Anliegen gestellt. In Leipzig rufen die Linksjugend und ihre Mutterpartei sogar zu einer Streikaktion vor dem Karrierecenter der Bundeswehr auf. Auch die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Nicole Gohlke, erklärte auf X, Die Linke stehe „solidarisch“ an der Seite der Schüleraktion gegen „Zwangsdienste“.
Der fraktionslose EU-Abgeordnete Martin Sonneborn (Die PARTEI) hat ein Solidaritätsvideo aufgenommen und angekündigt, ab Donnerstag werde auf seiner Homepage eine „Entschuldigung zum Herunterladen“ zu finden sein.
Aber auch der sachsen-anhaltische AfD-Landtagsabgeordnete und Sprecher der AfD-Landtagsfraktion für Bildung, Kultur und Wissenschaft, Hans-Thomas Tillschneider, hat mit Blick auf den Schulstreik von einem „vernünftigen Anliegen“ gesprochen.

Vorbehalte gegen Militarisierung und Normalisierung von Kriegsrhetorik

Der Schulstreik richtet sich gegen das geplante Vorhaben, Freiwillige für die Bundeswehr auf dem Wege der Musterung zu gewinnen – und im Bedarfsfall auch junge Menschen per Losentscheid zu verpflichten.
Der Zeitpunkt der Protestaktionen am Freitag fällt zusammen mit der Abstimmung im Bundestag über das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz der schwarz-roten Koalition.
Einige Protagonisten sehen in dem geplanten Schulstreik auch ein Signal gegen eine zunehmende Militarisierung der Gesellschaft und Normalisierung von Kriegsrhetorik.
Auf der Seite der Veranstalter heißt es, dass die Wiedereinführung der Wehrpflicht die Jugendlichen in die Lage versetzen soll, „für Deutschland Krieg zu führen“. Der Verfassungsgrundsatz, dass niemand gegen seinen Willen zum Dienst an der Waffe gezwungen werden darf, steht durch den neuen Wehrdienst ihnen zufolge infrage. Kritik wird auch an den aus Sicht der Initiatoren unzureichenden Bemühungen um diplomatische Lösungen geübt.
Die Initiatoren des Aktionstages rufen Schüler dazu auf, nicht in den Unterricht zu gehen, sondern stattdessen an den Demonstrationen teilzunehmen. Auf der Seite heißt es weiter:
„Wir wollen nicht ein halbes Jahr unseres Lebens in Kasernen eingesperrt sein, zu Drill und Gehorsam erzogen werden und töten lernen. Krieg ist keine Zukunftsperspektive und zerstört unsere Lebensgrundlage.“

Recht auf Kriegsdienstverweigerung bleibt trotz neuem Wehrdienst erhalten

Inwieweit der Aufruf tatsächlich nennenswerte Resonanz finden wird, ist ungewiss. In einigen Städten haben Nachfragen an Schulen ergeben, dass weder Schüler noch Eltern oder Lehrer überhaupt von dem Streikvorhaben wissen. Auf „Dorsten-Online“ heißt es:
„Weder Schulleitungen noch einige Schülervertretungen hatten den Aufruf erhalten. Dies deutet darauf hin, dass der Mobilisierungseffekt bisher vor allem digital und weniger in tatsächlichen Schulstrukturen stattfindet.“
Darüber hinaus bleibt das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung nach Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes auch im Fall des Inkrafttretens des neuen Wehrdienstes aufrecht. Im Gesetzesentwurf wird ebenfalls ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses Recht auch im Ernstfall erhalten bleiben müsse.

Geringere Beteiligung als beim „Schulstreik fürs Klima“ erwartet

Mit Beteiligungen in Größenordnungen, wie man sie vom „Schulstreik fürs Klima“ kennt, dürfte unter anderem auch deshalb nicht zu rechnen sein. Außerdem ist die mediale Aufmerksamkeit für die nunmehrige Schulstreikbewegung bislang deutlich geringer als jene für „Fridays for Future“. In der Bevölkerung steht eine deutliche Mehrheit hinter der Wiedereinführung der Wehrpflicht – die allerdings mit steigendem Lebensalter und damit sinkender potenzieller Eigenbetroffenheit wächst.
Allerdings stehen die Chancen gut, dass zumindest deutlich mehr Jugendliche an der Protestaktion gegen die Wehrpflicht teilnehmen werden als am letzten bekannten Unterrichtsboykott in Deutschland.
Im Mai 2024 hatten ein kommunistischer Jugendverband und die „Migrantifa“ in Berlin zu einem „Schulstreik für Palästina“ aufgerufen. Obwohl die Veranstalter als Schauplatz den Stadtteil Neukölln wählten, wo man von einem relevanten Zielpublikum ausgehen konnte, kamen nur wenige Dutzende Teilnehmer zusammen. Die Polizei sprach damals von 80 Personen.