15. Juli 2025

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EU-Chatkontrolle: Big Brother will Schnüffeln

 

In Brüssel gibt es neue Pläne zur anlasslosen Massenüberwachung der Kommunikation der EU-Bürger. Der neue Vorstoß sieht noch einmal eine verschärfte Chatüberwachung vor. 

Österreichs Parlament hat den hoch umstrittenen und bereits vor Jahren vom Höchstgericht aufgehobenen „Bundestrojaner“ letzte Woche beschlossen. Dabei befindet man sich fast im Gleichschritt mit der EU. Dort arbeitet man an umfassender Chatkontrolle. Die polnische Ratspräsidentschaft war gescheitert, die aktuelle dänische Führung versucht es mit einem neuen und noch schärferen Vorschlag. Sollte der Plan durchgehen werden, würde der österreichische Bundestrojaner ziemlich schnell von der EU in den Schatten gestellt werden.

Harte Kritik an den Plänen der EU kommt vom Deutschen Anwaltsverband. Dieser warnte vergangene Woche per Presseaussendung die deutsche Politik vor den verschärften Überwachungsplänen. Die Presseaussendung:

Immer wieder werden im Ministerrat neue Textvorschläge zur Chatkontrolle eingebracht – einem Instrument, mit dem Online-Kommunikation auf der Suche nach strafbaren Inhalten pauschal durchleuchtet werden soll. Nun liegt ein neuer, rechtsstaatlich hochproblematischer Vorschlag der dänischen EU-Ratspräsidentschaft vor. Der Deutsche Anwalt­verein (DAV) warnt entschieden vor den enthaltenen Maßnahmen und appelliert an die Bundesregierung, die Verordnung abzulehnen.

Neue Vorstöße in Sachen Chatkontrolle gab es in den letzten Jahren regelmäßig. Ziel der geplanten Verordnung zur elektronischen Kommunikationsdurchleuchtung ist die Verfolgung von sexuellem Kindesmissbrauch. Der Deutsche Anwaltverein betont seither, dass trotz der Bedeutung des verfolgten Ziels eine derartige anlasslose Massenüberwachung keinesfalls gerecht­fertigt ist. „Auch berechtigte strafrechtliche Anliegen können wir nicht mit Maßnahmen verfolgen, die gegen die Grundprin­zipien des Rechts­staats verstoßen“, so Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des Deutschen Anwaltvereins. Dazu gehöre die massenhafte Durchleuchtung der Kommunikation Unbescholtener.

Der nun vorgelegte Text der dänischen Ratspräsidentschaft enthalte mehrere massiv grundrechtsver­letzende Maßnahmen „Die Einführung dieses Instruments würde die systema­tische und flächen­de­ckende Überwachung privater Kommuni­kation bedeuten“, so der DAV-Präsident. Es sei vergleichbar mit einem Postamt, in dem jeder versandte Brief geöffnet und kontrolliert würde. „Mit den Grundrechten auf Datenschutz, Achtung des Privatlebens und Vertraulichkeit der Kommunikation ist das unvereinbar.“ Das EU-Parlament hätte sich für eine Chatkontrolle nur im Verdachtsfall ausgesprochen, die polnische Ratspräsidentschaft immerhin die verpflichtende Chatkontrolle zu einer freiwilligen umgestalten wollen. „Mit dem neuen Vorschlag macht die Diskussion einen Rückschritt, und wir sind annähernd wieder beim Vorschlag der EU-Kommission, der zu Recht von unzähligen nationalen und europäischen Parlamenten und weiteren Interessenträgern aufs Allerschärfste kritisiert worden ist.“

Angriff auf verschlüsselte Kommuni­kation

Dass auch Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messenger in die Maßnahmen einbezogen werden sollen, bedeutet faktisch eine Umgehung wirksamer Verschlüsselungstechnologien. „Statt für mehr Sicherheit zu sorgen, würden neue Gefahren geschaffen“, erklärt von Raumer. Die Aushebelung der Verschlüsselung würde zwangsweise Lücken in der IT-Sicherheit nach sich ziehen und so beispielsweise das Berufsgeheimnis von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in unvertretbarer Weise gefährden.

Zukünftig auch Text- und Sprach­nach­richten betroffen?

Die Inhalte, die durchsucht werden sollen, beschränken sich (noch) auf Bildmaterial und Links; über eine Öffnungsklausel zum sogenannten „Grooming“ könnten die Scans allerdings künftig auch auf Text- und Sprachnachrichten ausgeweitet werden.

Appell an Bundesregierung

In einem Schreiben an den Bundesminister des Innern appelliert der DAV deshalb an die Regierung, sich im Rat der Europäischen Union klar gegen den neuen Vorschlag auszusprechen und der Verordnung eine endgültige Absage zu erteilen. „Der Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft würde eine anlasslose Massenüberwachung privater Kommunikation ermöglichen, die der Europäische Gerichtshof gleich wieder kippen würde – die EU würde den Grundsätzen ihres ‚Better Regulation‘-Ansatzes nicht gerecht“, so Stefan von Raumer.

 

 

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