Die Sicherheitssoftware des US-Unternehmens Palantir ist stark umstritten – dennoch prüft Innenminister Dobrindt laut einem Medienbericht nun ihren bundesweiten Einsatz. Kritik kommt aus der SPD von den Grünen und aus der Linkspartei.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) prüft laut einem Medienbericht den bundesweiten Einsatz der umstrittenen Analyse-Software des US-Unternehmens Palantir. Eine Sprecherin des Ministeriums bestätigte auf Anfrage des Magazins Stern, dass dies „Gegenstand der noch andauernden Prüfung“ sei. Ein Ergebnis gebe es noch nicht.
Ein Sprecher des Ministeriums ergänzte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa, es würden „verschiedene Optionen“ geprüft. Dabei gehe es sowohl um den Einsatz von auf dem Markt verfügbarer Software als auch „die Nutzung einzelner modularer Services“. Im europaweiten Vergabeverfahren habe bislang nur Palantir eine marktverfügbare Softwarelösung angeboten, die den Ansprüchen entsprochen habe.
Parteiübergreifende Kritik an Plänen
Kritik an einem möglichen Einsatz kommt aus der SPD und von den Grünen. „Palantir ist kein neutraler IT-Dienstleister, sondern ein Unternehmen mit tiefen Verbindungen zu US-Geheimdiensten und klaren geopolitischen Interessen“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Schätz dem „Stern“. Er lehne den Einsatz von Palantir in deutschen Sicherheitsbehörden entschieden ab.
Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz kritisierte Dobrindt scharf: „Offenkundig sieht er sich als Lobbyist eines hochumstrittenen US-Unternehmens“. Gerade in diesen Zeiten, in denen immer weniger Verlass sei auf die US-Regierung, verbiete sich eine Kooperation mit einem Unternehmen wie Palantir.
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, warnte, mit der Palantir-Software würde „ein flächendeckender Angriff auf die Privatsphäre von Millionen Menschen in Deutschland“ drohen. „Daten, die ursprünglich für völlig unterschiedliche Zwecke erhoben wurden, sollen automatisiert zusammengeführt, ausgewertet und der Polizei zur Rasterfahndung bereitgestellt werden, ohne wirksame Kontrolle, ohne Transparenz und ohne Schutz vor Fehlentscheidungen.“
Ein Gründer ist umstrittener US-Milliardär
Unionsfraktionschef Jens Spahn hingegen hatte im „Stern“ bereits Anfang Juni den Einsatz der Software befürwortet. Sie würde der Polizei „sehr helfen“, so Spahn. Auch Verbrecher würden alle digitalen Möglichkeiten nutzen. „Der Staat sollte da im Rahmen des Rechts hinterherkommen mit seinen Fähigkeiten.“
Das Unternehmen Palantir wurde 2003 in den USA gegründet – unter anderem von Tech-Milliardär Peter Thiel. Er ist bekannt für seine libertären und rechtskonservativen Positionen, seine Nähe zu US-Präsident Donald Trump und seine Kritik an liberalen Demokratien. In Europa wird Thiel deshalb oft kritisch gesehen. Auch Datenschützerinnen und Datenschützer kritisieren die Software.
Mehrere Bundesländer nutzen Palantir
Am Dienstag war bekannt geworden, dass die Polizei in Baden-Württemberg die Software bald nutzen soll. Die grün-schwarze Koalition in Stuttgart machte den Weg dafür frei. Die Hamburger Innenbehörde schloss hingegen die Nutzung für den Stadtstaat aus.
Auch Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen setzen auf die Software. Andere Bundesländer sind noch zögerlich und streben eine europäische Lösung an. Auf EU-Ebene wurde Palantir-Software von der Polizeibehörde Europol genutzt – allerdings ohne Erfolg: Sie war mit anderen Europol-Systemen nicht kompatibel und wurde wieder abgeschafft.
Verfassungsbeschwerde gegen Palantir-Einsatz
Gegen die gesetzlichen Regeln, die in Bayern den Einsatz der verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattform (VeRA) von Palantir ermöglichen, haben der Verein Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und der Chaos Computer Club (CCC) eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Der Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte: „Der Einsatz von durch private Unternehmen entwickelter Software ist Standard in deutschen Polizeibehörden.“ Die Polizei prüfe die vertraglich zugesicherten Eigenschaften der Software.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befürwortet den Einsatz von Palantir. Ihr Vizechef Alexander Poitz verwies auf die riesigen Datenmengen, die von den Behörden ohne Technologie nicht mehr ausgewertet werden könnten. Ein Beispiel sei der Anschlag auf das israelische Konsulat in München vor einem knappen Jahr. Damals seien durch automatisierte Datenauswertung „gewisse Täterbewegungen“ und „eine Kommunikation festgestellt“ worden, sagte Poitz dem MDR.
Verfahren der KI genutzt
Palantir entwickelt Software zur Analyse riesiger Datenmengen aus einer Vielzahl von Quellen wie Textdokumenten, Social-Media-Inhalten, Datenbanken, Bildern oder Sensoren. Dabei nutzt das Unternehmen Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI), um Beziehungen zwischen den verschiedenen Daten herzustellen, und Handlungsempfehlungen daraus abzuleiten. So wird die Software „Gotham“ genutzt, um verdächtige Muster zu erkennen – etwa bei der Terrorabwehr, Finanzkriminalität oder Grenzsicherung.
Zahlreiche Kriminologinnen und Kriminologen sowie Datenschützende stehen dem kritisch gegenüber. Sie warnen vor einem „gläsernem Bürger“ sowie mangelnder Transparenz bei der Datenverarbeitung und den Entscheidungsprozessen. Auch die SPD hat sich gegen den Einsatz der Software ausgesprochen. Sie befürchtet, dass man sich dadurch bei einer Schlüsseltechnologie von einer US-Firma abhängig mache.
https://www.tagesschau.de/inland/dobrindt-einsatz-palantir-100.html