15. Juni 2025

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CO2-Grenzwerte für LKW: Branche droht beispielloser Kollaps

 

Seit Anfang des Jahres gelten erstmals CO2-Grenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge. Die Branche steht dadurch unter massivem Druck. Ohne politische Unterstützung drohen Investitionsstau, Strafzahlungen in Milliardenhöhe und ein möglicher Kollaps der Branche.

Seit diesem Jahr gelten erstmals CO2-Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge. Diese sollen in den kommenden Jahren stufenweise verschärft werden: Die CO2-Emissionen neu zugelassener Lkw und Reisebusse müssen bis 2030 um 45 Prozent, bis 2035 um 65 Prozent und bis 2040 um 90 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2019 reduziert werden.

Das stellt sowohl Fahrzeughersteller als auch Logistikunternehmen vor große Herausforderungen. Die Hersteller sind verpflichtet, den Anteil emissionsfreier Fahrzeuge bei den Neuzulassungen deutlich zu steigern. Speditions- und Logistikfirmen wiederum müssen ihre Flotten auf emissionsarme bzw. emissionsfreie Lkw umstellen. Ein Schritt, der mit hohen Investitionen verbunden ist. Gelingt dieser Umstieg nicht, drohen massive Strafzahlungen durch die EU.

Vor dem Hintergrund des stockenden Übergangs hin zur Nutzung klimafreundlicher Nutzfahrzeuge in Europa meldet sich der Branchenverband Acea mit einer deutlichen Warnung zu Wort. Bei einem Pressegespräch in Brüssel betonten Vertreter der Organisation, dass für Hersteller Zahlungen in Milliardenhöhe fällig werden könnten.

Grundsätzlich dürften die Strafzahlungen nahezu jeden europäischen Hersteller treffen – von Daimler Trucks über Volvo bis hin zu Scania und MAN. Denn derzeit werden noch über 90 Prozent aller neu zugelassenen Lkw mit Dieselmotor betrieben. Lediglich 3,5 Prozent der im ersten Quartal 2025 neu registrierten Lastwagen sind elektrisch aufladbar, also entweder batterieelektrisch oder als Plug-in-Hybride unterwegs. Auch bei Bussen zeigt sich ein ähnliches Bild: Über 60 Prozent der Fahrzeuge sind nach wie vor mit Dieselantrieb ausgestattet. Die Gesetzgeber müssten nach Einschätzung der Acea deutlich mehr unternehmen, um die Nachfrage nach klimafreundlichen Lkw zu steigern. Derzeit bleibt die Zahl der Neuzulassungen dieser Fahrzeuge vor allem wegen der hohen Anschaffungskosten gering.

Fahrzeuge ohne Emissionen – wie batterieelektrische oder wasserstoffbetriebene Lkw – sind aktuell zwischen 50 und 250 Prozent teurer als herkömmliche Dieselmodelle. Viele, insbesondere kleinere Logistikunternehmen, die einen Großteil der Branche ausmachen, können sich diese Mehrkosten schlicht nicht leisten. Wie unter diesen Umständen ein flächendeckender Übergang hin zu „grünen“ Lkw gelingen soll, bleibt fraglich. Berlin wirft die Branche ins kalte Wasser. Die Nachfrage wird wohl weiter niedrig bleiben, und eine Aufweichung der Klimaziele, wie sie zuvor in der Automobilindustrie umgesetzt wurde, scheint die einzige Lösung zu sein.

Andernfalls droht ein gewaltiger Zusammenbruch innerhalb der Branche. Während große Hersteller wie Daimler Trucks oder Scania mögliche Verluste womöglich noch abfedern können, könnte die Verschärfung der Flottengrenzwerte und die forcierte Umstellung des eigenen Fuhrparks auf umweltfreundliche Lkw für kleine und mittelständische Logistikbetriebe einem wirtschaftlichen Todesurteil gleichkommen. Besonders belastend ist die Umsetzung der Flottengrenzwerte für die Branche, da zusätzlich weitere Faktoren wie übermäßige Regulierungen und Bürokratie die Betriebe einschränken.

An erster Stelle steht dabei die CO2-Steuer, die insbesondere für Logistikunternehmen eine erhebliche Belastung darstellt. Für viele Betriebe ist sie vor allem spürbar durch gestiegene Kraftstoffkosten. Der nationale Emissionshandel (nEHS) in Deutschland, der die Sektoren Gebäude und Verkehr umfasst – und damit auch die Spritkosten – hat sich seit seiner Einführung im Jahr 2021 mehr als verdoppelt. Der Startpreis lag damals bei 25 Euro pro Tonne CO2. Seit diesem Jahr beträgt er 55 Euro pro Tonne. Für die kommenden Jahre sind weitere Erhöhungen vorgesehen. Allein von 2024 auf 2025 hat die Anhebung der CO2-Abgabe zu einem Preisanstieg von rund 3 Cent pro Liter Benzin bzw. Diesel geführt.

Weitere Regulierungen, die Logistikunternehmen besonders stark belasten, sind das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sowie die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). Beide Vorschriften führen zu umfangreichen Anforderungen an Datenerhebung, Dokumentation und Berichterstattung. Die Gesetze umfassen über 1.000 Datenpunkte, die erhebliche personelle und zeitliche Ressourcen binden. Die Wertschöpfung der Unternehmen wird dadurch stark beeinträchtigt.

Generell verbringen viele Unternehmen, insbesondere Fahrer, mittlerweile einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeitszeit mit administrativen Aufgaben, die häufig redundant sind. Laut einer Studie der International Road Transport Union (IRU) aus dem Jahr 2023 entfallen bei Fahrern und Disponenten bis zu 30 Prozent der Arbeitszeit auf bürokratische Tätigkeiten.

 

 

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