28. November 2025

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Studie: Staat zahlte bislang mehr als 100 Millionen Euro an deutsches „Zensurnetzwerk“

 

Forscher zählen über 330 an Online-Zensur beteiligte Akteure in Deutschland / Bundesrepublik agiert als Zentrum der Inhaltskontrolle in Europa / Forscher: staatlich finanzierte Organisationen sind nicht neutral

 

Berlin.

(multipolar)Der Bund und die Länder haben in Deutschland zwischen 2016 und 2025 insgesamt mehr als 105 Millionen Euro für die Regulierung und Löschung von Online-Äußerungen ausgegeben. Dies ergibt eine umfangreiche Untersuchung der Organisation „Liber-net“ zum „Zensurnetzwerk“ in Deutschland. Dabei haben sich die Ausgaben zwischen 2020 und 2021 mehr als verdreifacht und zwischen 2022 und 2023 erneut fast verdoppelt. Insgesamt haben die Forscher mehr als 330 beteiligte Organisationen identifiziert. „Liber-net“ setzt sich eigenen Angaben zufolge für freie Meinungsäußerung, Datenschutz und gegen digitale Zensur ein.

Bereits die Voruntersuchung habe ergeben, dass Deutschland in Europa mehr Ressourcen für Inhaltskontrolle im Internet bereitstellt als die anderen europäischen Länder, sagte der Gründer von „Liber-net“, Andrew Lowenthal, im Interview mit der „Berliner Zeitung“. (21. November) Durch die Bereitstellung der Gelder habe eine Vielzahl von Organisationen, die sich als „Nichtregierungsorganisationen“ (NGO) bezeichnen, ihre Reichweite und Einflussnahme erhöhen können. Dies habe zu einer stärkeren Kontrolle über die öffentliche Kommunikation geführt, erläuterte Lowenthal. „Das größte Problem, das wir festgestellt haben, ist die zunehmende Nähe zwischen NGOs und staatlichen Institutionen.“ Dadurch seien sie weniger unabhängig, als sie vorgeben zu sein. Viele dieser Organisationen seien nicht neutral, sondern verfolgten eine politische Agenda.

Die Ergebnisse der Untersuchung sind zum einen in einem ausführlichen Bericht nachzulesen. Zum anderen hat „Liber-net“ auf seiner Website zwei Datenbanken eingerichtet. Während die erste eine Übersicht über mehr als 330 beteiligte Regierungsbehörden, Organisationen, akademische Zentren, Stiftungen und Netzwerke gibt, enthält die zweite Informationen zu mehr als 420 Zuschüssen und Fördermitteln für Inhaltskontrolle. Die Texte und Datenbanken sind sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch abrufbar, wobei ein Großteil der Übersetzungen ins Deutsche maschinell vorgenommen wird.

„Liber-net“ hat für die Untersuchung dabei nach eigenen Angaben die Methodik angewandt, die in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Matt Taibbi bei den „Twitter Files“ entwickelt wurde. Damit wurde der auf die USA fokussierte „Zensur-Industrie-Komplex“ abgebildet. „Zusammen mit deutschen Spezialisten, Forschern und Beratern haben wir dieses System dokumentiert, dessen Umfang unsere Erwartungen bei Weitem übertrifft“, schreibt die Organisation auf ihrer Website. Es gebe zwar ein Problem im Online-Diskurs, aber hart durchgreifende Maßnahmen könnten leicht zu politischen Zwecken missbraucht werden, warnen die Autoren.

Als eindeutig zensierende Organisation bezeichnet „Liber-net“ beispielsweise die Initiative „HateAid“, die im Rahmen des Digital Services Act der Europäischen Union (EU) seit dem Sommer dieses Jahres als sogenannter „Trusted Flagger“ fungiert. Im Kommentar zur Organisation heißt es unter anderem, dass sie Zensur gegenüber den Kritikern der offiziellen deutschen Ukraine-Politik gefordert habe. „HateAid“ sei „weit davon entfernt“, die Meinungsfreiheit in der Zivilgesellschaft zu schützen, sondern versuche staatliche Stellen vor Kritik abzuschirmen. Bei einigen anderen Organisationen in der Datenbank handele es sich um moderate Initiativen wie lokale Behörden, die kleine Zuschüsse zur Verfügung stellen, heißt es im Bericht.

Die Datenbank der Fördermittel enthält vor allem staatliche Mittel, da diese leichter aufzudecken seien als private Finanzierungen. Neben Bundes- und Ländermitteln sind auch solche der EU mit aufgenommen worden. Bei den gut 105 Millionen staatlichen Mittel zwischen 2016 und 2025 ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 56 Millionen Euro der größte Geldgeber (seit 2025 firmiert es unter dem Namen „Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt“). Der Großteil des Geldes fließt laut „Liber-net“ in die technische Umsetzung der Regulierung von Meinungsäußerungen. Der größte Einzelposten von mehr als neun Millionen Euro geht seit 2023 an „RUBIN – News-polygraph – Multimodal Orchestration for Media-Content Verification (MOVERA)“, an dem unter anderem der Staatssender „Deutsche Welle“, das staatlich teilfinanzierte Fraunhofer-Institut, der öffentlich-rechtliche Sender „rbb“ und die Technische Universität Berlin beteiligt sind. Ziel von „Movera“ ist nach eigenen Angaben, Journalisten mit Überprüfungswerkzeugen und Unterstützung auszustatten, „um sie im Kampf gegen Desinformation und dem Schutz demokratischer Werte zu unterstützen“.

„Liber-net“-Chef Lowenthal empfiehlt eine gründliche Überprüfung und Reduzierung der Mittel an die Organisationen, die sich auf Inhaltskontrolle konzentrieren. „Es ist auch wichtig, den Fokus auf echte demokratische Prozesse zurückzulenken, in denen Bürger ihre Meinungen frei äußern können, ohne Angst vor staatlicher Repression oder der Kontrolle durch NGOs zu haben.“ Die Faktenprüfung müsse zurück in die Hände von Journalisten gelegt werden, das sei die Kernaufgabe des Journalismus, sagte Lowenthal. „Die Politik scheint heute oft nur kurzfristig zu denken, ohne sich bewusst zu sein, dass diese Werkzeuge der Repression gegen die eingesetzt werden könnten, die sie ursprünglich unterstützten.“


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