5. Dezember 2025

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Laborfleischverbot in Ungarn: Parlament stärkt Landwirte und traditionelle Lebensmittelkultur

 

Das ungarische Parlament hat die Produktion und den Verkauf von Labor- oder Kunstfleisch verboten, um Gesundheit, Kultur und nachhaltige Landwirtschaft zu schützen. Ausnahmen gelten nur für medizinische und veterinärmedizinische Zwecke. Die EU warnte, dass das Verbot den freien Warenverkehr behindern könnte

Das ungarische Parlament hat ein allgemeines Verbot für die Herstellung und Vermarktung von Labor- oder Kunstfleisch, also Fleisch, das aus tierischen Zellen außerhalb eines lebenden Organismus gezüchtet wird, beschlossen. In dieser Woche stimmten 140 Abgeordnete dafür, lediglich 10 dagegen, und 18 enthielten sich der Stimme.
Landwirtschaftsminister István Nagy erklärte auf seiner Social-Media-Seite: „Wenn wir die Lebensmittelproduktion vom Ackerland trennen, verlieren wir unsere Kultur. Deshalb verbietet unser Land die Herstellung und Vermarktung von Kunstfleisch in Ungarn.“

Ungarn folgt USA und Italien

In den USA war Florida im Mai des vergangenen Jahres der erste Bundesstaat, der ebenfalls ein Verbot erließ. In Europa trat ein vergleichbares Gesetz 2023 in Italien in Kraft. Gleichzeitig wurde 2024 in der EU der erste konkrete Antrag eines französischen Herstellers auf Zulassung von Laborfleisch eingereicht.
Ungarn hat sich damit in einer sowohl politisch als auch gesundheitlich umstrittenen Frage positioniert. Minister Nagy betonte, dass ohne Landwirte weder Lebensmittel noch eine sichere Zukunft möglich seien. Entscheidend sei, dass die Gesellschaft sich nicht vom natürlichen Kreislauf der Tierwelt entferne.

In Ungarn hat unter anderem die Zucht von Graurindern eine lange Tradition.

Foto: Peter Takacs / iStock

Minister will strengstmögliche Regulierung

Laut den Verfassern wird das Gesetz mit dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt sowie der Förderung nachhaltiger Landwirtschaft und der Bewahrung traditioneller ländlicher Lebensweisen gerechtfertigt. Minister Nagy betonte, dass Ungarn die Frage des Kunstfleisches umfassend geprüft und die Regelung den notwendigen EU-Verfahren unterzogen habe.
Der Gesetzestext nennt keine konkreten gesundheitlichen Risiken. Er stellt jedoch klar, dass „alles getan werden muss, um mögliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit auszuschließen oder zu verringern“. Allgemein wird darauf hingewiesen, dass „künstliche Lebensmittel, die in den menschlichen Körper gelangen, zugleich auch eine große Gefahrenquelle darstellen können“.

Ein Techniker hält am 18. Juni 2021 in der israelischen Stadt Ness Ziona ein im Labor gezüchtetes Hühnerfleisch in einem versiegelten Beutel in der Hand.

Foto: Jack Guez/AFP via Getty Images

Nach Ansicht des Gesetzgebers bergen diese „von der traditionellen Herstellung abweichenden Technologien und Produktionsmethoden“ auch potenzielle Risiken, die „unsere grundlegenden Werte bedrohen“. Der Gesetzestext räumt ein, dass auf diese Herausforderungen „noch keine beruhigenden Antworten“ gefunden worden seien.

Aktuell bleibt die ungarische Position unverändert: Eine strengstmögliche Regulierung sei erforderlich. „Kunstfleisch ist ein Machwerk, und wir halten an unserer Kultur fest. Statt der Inkubationsfleischzucht sollten wir sichere heimische Lebensmittel wählen“, erklärte der Minister.
Ungarn sieht demnach ein umfassendes Verbot für die Herstellung und das Inverkehrbringen von Laborfleisch vor. Ausnahmen gelten ausschließlich für medizinische und veterinärmedizinische Zwecke – und auch dort nur in eng begrenztem Umfang.

Im Labor gezüchtetes Fleisch.

Foto: Firn / iStock

Ein Eckpfeiler der europäischen Esskultur

Die ungarische Regierung setzt sich konsequent für die traditionelle Herstellung und den Konsum von Fleisch- und Milchprodukten ein. Pflanzliche Fleischersatzprodukte bleiben weiterhin erlaubt. Künstlich im Labor hergestelltes Fleisch, das aus echten tierischen Zellen gezüchtet wird, ist verboten.
Bei der Produktion von künstlichem Fleisch entnehmen Forscher eine kleine Gewebeprobe – zum Beispiel von Huhn oder Rind – und vermehren die Zellen in nährstoffreichen Behältern, sogenannten Bioreaktoren, außerhalb des lebenden Organismus.

Ein Foto vom 13. Juni 2025 zeigt Fläschchen mit kultiviertem Schweinefett, die im Labor von Hoxton Farm, einem Start-up-Unternehmen für die Kultivierung von Schweinefett, in London gelagert werden.

Foto: Ben Stansall/AFP via Getty Images

Das Verbot in Ungarn wurde bereits im letzten Sommer diskutiert. Laut dem Landwirtschaftsminister bekräftigt die ungarische Regierung damit ihr Engagement für eine an Ackerland gebundene Lebensmittelproduktion sowie für die Stärkung des ländlichen Raums.
Letztes Jahr initiierte die Regierung von Viktor Orbán eine Debatte im EU-Rat über die möglichen negativen Auswirkungen neuartiger Lebensmittel auf die kulinarischen Traditionen Europas.
Budapest betonte dabei, dass Fleisch und Milchprodukte aus der Landwirtschaft weiterhin einen Eckpfeiler der europäischen Esskultur bilden. Auch andere Länder – darunter Tschechien, Zypern, Griechenland, Luxemburg, Litauen, Malta, Rumänien und die Slowakei – wiesen in einem gemeinsamen Schreiben darauf hin, dass im Labor gezüchtetes Fleisch eine Bedrohung für „echte Lebensmittelerzeugungsmethoden“ darstelle.

Verstößt das Verbot in Ungarn gegen EU-Recht?

Obwohl bereits ein Antrag in Brüssel eingereicht wurde, hat die Europäische Union bislang noch kein Laborfleischprodukt aus gezüchteten Zellen zugelassen.
Gleichzeitig wies die Europäische Kommission die ungarische Regierung bereits im vergangenen Jahr darauf hin, dass das geplante Verbot den freien Warenverkehr in der Union gefährden könnte und möglicherweise gegen die EU-Vorschriften für neuartige Lebensmittel verstoßen würde.
Laut einem Bericht von „Euractiv“ teilten auch Tschechien, Litauen, die Niederlande und Schweden diese Bedenken und erklärten, dass der ungarische Schritt Innovationen in Europa behindern könnte.
Der in Brüssel ansässige Thinktank Good Food Institute, der sich mit alternativen Proteinen beschäftigt, bezeichnete das ungarische Verbot als „rechtlich unhaltbar und sinnlos“. Ob der Schritt der ungarischen Regierung in Brüssel rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen wird, bleibt derzeit offen.