11. September 2025

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Frankreich zieht die EU in den Abgrund

 

Frankreichs Verschuldung ist außer Kontrolle geraten und im Streit um einen neuen Staatshaushalt ist schon wieder eine Regierung zerbrochen. Frankreich ist de facto unregierbar geworden und steuert auf „griechische Verhältnisse“ zu – mit fatalen Folgen für die gesamte EU.

Wer in diesen Tagen über Frankreich schreiben will, der weiß kaum, wo er anfangen soll, so chaotisch ist die Lage im Land. Ich werde daher mit der wirtschaftlichen und finanziellen Lage beginnen.

De facto pleite

Frankreich steckt, ähnlich wie Deutschland, de facto seit 2019 in der Rezession, denn das nominelle Wirtschaftswachstum liegt unter der Inflationsrate, was bedeutet, dass die französische Wirtschaftsleistung inflationsbereinigt rückläufig ist. Dem Einbruch der französischen Wirtschaft im Corona-Jahr 2020 um fast 8 Prozent folgte 2021 nur ein Wachstum von unter 7 Prozent. 2022 wuchs die französische Wirtschaft um etwa 2,6 Prozent und 2023 war es 1,2 Prozent, während die Inflation in den beiden Jahren auf bis über 6 Prozent stieg und das Wirtschaftswachstum damit deutlich übertraf.

Frankreichs Staatsschulden sind vollkommen außer Kontrolle geraten. Aktuell liegen sie bei 114 Prozent des und das jährliche Haushaltsdefizit beträgt fast 6 Prozent des BIP. Was das bedeutet, wird deutlich, wenn man sich das in Euro anschaut, denn das Haushaltsdefizit Frankreichs lag 2024 bei unvorstellbaren 169 Milliarden Euro und für die nächsten Jahre wird ein Anstieg auf über 200 Milliarden prognostiziert. 200 Milliarden Euro neue Schulden jedes Jahr!

Daher ist es kein Wunder, dass der gerade vom französischen Parlament abgesetzte französische Premierminister Bayrou Ende August gewarnt hat, Frankreich habe „noch nie so nah am finanziellen Abgrund“ gestanden, wie jetzt. Im Juli hatte er daher vorgeschlagen, alle Sozialprogramme einzufrieren, die Leistungen nicht mehr jährlich zu erhöhen und auch zwei Feiertage zu streichen.

Um zu verhindern, dass Frankreich das Schicksal Griechenlands wiederholt, schlug er Kürzungen im Staatshaushalt in Höhe von sagenhaften 44 Milliarden Euro vor. Gekürzt werden soll nach seinen Vorstellungen überall, nur die Militärausgaben und die die Bedienung der Schulden seien von den Kürzungen nicht betroffen , denn die Ausgaben für den Schuldendienst wachsen natürlich weiter, wenn Frankreich sich weiter verschuldet.

Macrons Partei hat im französischen Parlament keine Mehrheit und die Opposition hat diese Pläne abgelehnt, weshalb Bayrou am Montag die Vertrauensfrage gestellt und erwartungsgemäß verloren hat.

Nun soll der ehemalige Verteidigungsminister Lecornu neuer Premierminister werden, aber die Probleme verschwinden dadurch ja nicht. Wie Frankreich sie lösen will, steht in den Sternen.

Griechenland 2.0

Wer verstehen will, was es bedeutet, wenn Frankreich so weitermacht, muss sich nur an die Bankenkrise vor 15 Jahren erinnern. Damals wurde Griechenland für faktisch pleite erklärt und das darauf folgende, von der EU und Deutschland diktierte Sparprogramm führte in eine soziale Katastrophe, unter der Griechenland immer noch leidet. Die Reallöhne sind eingebrochen, das Gesundheitssystem war so pleite, dass selbst in Krankenhäusern viele Medikamente nicht mehr vorhanden waren, weshalb Diabetes- und Krebspatienten oft unbehandelt nach Hause geschickt werden mussten.

Die EU konnte Griechenland mit vereinter Kraft „retten“ (in Wahrheit wurde dabei nicht Griechenland gerettet, sondern die Banken, denen die EU ihre wertlosen griechischen Staatsanleihen abgekauft hat). Aber die griechischen Staatsschulden betrugen auf dem Gipfel der Krise nur 356 Milliarden Euro, die französischen Staatsschulden belaufen sich mit 3.300 Milliarden auf fast das Zehnfache.

Weder die EU noch die EZB würden Frankreich retten können, wenn es das Schicksal Griechenlands nachahmen sollte – und danach sieht es derzeit aus.

Die Märkte werden bereits nervös und auf französische Staatsanleihen werden Risikozuschläge gefordert. Die EZB kann, das wurde ihr im Zuge der Griechenland-Krise erlaubt, französische Staatsanleihen aufkaufen, damit Frankreich weiter Schulden machen kann. Aber der Umfang dürfte begrenzt sein. Und natürlich ist das keine Lösung, sondern die Wiederholung des Griechenland-Szenarios, bei dem letztlich die EU-Staaten, also die Steuerzahler in der gesamten EU, die griechischen Schulden übernommen haben.

Der Spiegel titelte vor einigen Tagen „Regierungskrise – Ökonomen bescheinigen Frankreich Reformunfähigkeit“ und teilte mit, dass die Kapitalmärkte insgesamt entspannt auf die Regierungskrise in Frankreich reagieren. Das stimmt auch, denn die Krise ist längst über die kontinuierlich steigenden en Risikozuschläge für französische Staatsanleihen eingepreist.

Dass die Finanzmärkte so entspannt auf aktuelle Regierungskrise in Frankreich reagieren, bedeutet aber noch etwas anderes, nämlich, dass die Finanzmärkte die französische Regierung nicht mehr ernst nehmen. Und das wiederum bedeutet, wie die Spiegel-Überschrift angedeutet hat, dass niemand mehr ernsthaft glaubt, dass Frankreich die Probleme in den Griff bekommt.

Die Spekulanten kaufen die französischen Papiere mit den erhöhten Zinsen und hoffen, den richtigen Moment zu erwischen, um sie abzustoßen, bevor die französischen Finanzen crashen.

Feuer mit Benzin löschen

Und weil ein finanzieller Zusammenbruch Frankreichs auch das Ende des Euro bedeuten würde, setzen die Märkte offenbar darauf, dass die EZB das schon irgendwie verhindern wird und ihnen – wie schon bei Griechenland – die wertlos geworden Staatsobligationen abkauft. Nur wie die EZB das machen will, wie sie also das Griechenland-Szenario bei Frankreich wiederholen will, darauf hat meines Wissens niemand eine Antwort.

Eine Staatspleite Frankreichs würde gigantische Schockwellen auslösen. Schon jetzt sind die Vorläufer zu spüren, denn früher war es so, dass deutsche Bundesanleihen, die stets als sicherer Hafen galten, von der Unsicherheit in Frankreich profitiert hätten. Wir erinnern uns: Während der Griechenland-Krise hatten deutsche Anleihen teilweise Negativzinsen.

Davon ist nun nichts mehr zu sehen, deutsche Anleihen profitieren von der Krise in Frankreich nicht. Und das hat, neben der Tatsache, dass Frankreich auch Deutschland mit den in den Abgrund reißen würde, wenn beide im Euro bleiben, zwei Gründe: Erstens hat die Merz-Regierung für die nächsten Jahre ein gigantisches Schuldenprogramm in Höhe von knapp einer Billion Euro angekündigt, was dazu führen wird, dass auch Deutschlands Schuldenstand auf etwa 100 Prozent des BIP klettern wird und dass Deutschland daher schon in wenigen Jahren in einer ganz ähnlichen Situation sein wird, wie Frankreich heute.

Zweitens hat die EU-Kommission die europäische Wirtschaft abgewürgt, indem sie zum Einen die billigen russischen Energieträger verbietet und damit die Explosion der Energiepreise in Europa verursacht hat, die in Deutschland und anderen Ländern zur Deindustrialisierung führen. Zum Anderen hat EU-Kommissionschefin von der Leyen den Deal mit Trump gemacht, der europäische Waren in den USA benachteiligt, weil sie einseitig mit hohen Zöllen belegt werden. Dass die EU auch den einst wichtigen russischen Markt verloren hat und dass die EU sich wohl auf einen Handelskrieg mit China vorbereitet, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Die europäische Wirtschaft wird damit nicht nur ihrer Konkurrenzfähigkeit beraubt, sondern auch ihrer wichtigsten Handelspartner. Es gibt also keinen Grund für die Annahme, dass die kommende Schuldenkrise durch ein solides Wirtschaftswachstum kompensiert wird. Es wird eher das Gegenteil passieren: Die Wirtschaft in den wichtigen EU-Staaten bleibt in der Rezession oder oder rutscht in die Rezession. Ein Nullwachstum in den nächsten Jahren wäre schon ein Erfolg, von Wachstum in Europa träumen nur noch Fantasten.

Wer nun einwendet, es gäbe doch immer wieder optimistische Medienberichte darüber, dass die Militarisierung Europas zu Wirtschaftswachstum führen und dass sich daher alle Probleme lösen würden, der sei daran erinnert, dass die Militarisierung Europas auf Pump finanziert wird. Und die außer Kontrolle geratenen Schulden sind ja eines der Grundprobleme, wie wir an Frankreich gerade sehen.

Dass Zauberkünstler wie Kanzler Merz eine Billion Schulden als Konjunkturprogramm verkaufen wollen, zeigt, wie schwachsinnig das ist, was in der EU gerade geschieht. Um das im übertragenen Sinne zu erklären: Die EU steht vor einem Feuer, das durch den lockeren Umgang mit Benzin ausgebrochen ist und das ganze Haus zu verschlingen droht, und dieses Feuer wollen die Intelligenzbestien mit noch mehr Benzin löschen. Genial!

„In den Zustand des Zerfalls eingetreten“

In dieser finanziellen Lage haben EU-Kommission und EU-Staaten keine bessere Idee, als die Rüstungsausgaben auf 5 Prozent des BIP zu erhöhen. Es ist eh schon kein Geld mehr da, also geben sie eben noch mehr für Rüstung aus.

Natürlich wird das zu bisher unvorstellbaren Kürzungen im Sozialbereich führen. Der Franzose Bayrou wollte 44 Milliarden bei Sozialem, Bildung, Infrastruktur und so weiter einsparen und in Deutschland kündigt Merz vollkommen offen das Ende des Sozialstaates an. Da muss die Frage erlaubt sein, wann diese Politik zu sozialen Unruhen führt. Oder werden die Europäer das wirklich ewig mit ansehen?

Frankreich ist eines der größten und wichtigsten Länder der EU. Und Frankreich wird irgendwann in den kommenden Jahren an den Punkt kommen, an dem es entweder Zahlungsunfähigkeit erklären oder die brutalsten sozialen Kürzungen der Geschichte durchführen muss. Die Frage ist nicht ob, die Frage ist nur, wann.

Deutschland folgt diesem Weg, indem Merz die totale Kreditaufnahme verkündet hat. Wenn die Krise in Frankreich ausbricht, wird Deutschland als Stabilitätsanker daher ausfallen.

Und natürlich wird die Schuldenkrise, wie schon damals während der Griechenland-Krise, auch anderen, hochverschuldeten EU-Staaten schwer zusetzen, weil auch deren Risikoaufschläge steigen werden.

Das wird nicht über Nacht passieren, wir reden hier von einem Prozess der nächsten Jahre, aber er ist inzwischen nicht mehr abwendbar, da die Führung der EU und ihrer Mitgliedsstaaten nicht einmal den Anschein machen, die grundlegenden Probleme lösen zu wollen.

Da wundert es nicht, dass der ungarische Ministerpräsident Orban kürzlich gesagt hat, dass, selbst wenn der Finanzplan für 2028–2035 beschlossen wird, dies höchstwahrscheinlich der letzte Siebenjahreshaushalt der EU sein wird. Er betonte, dass die Verabschiedung eines Haushalts nach 2035 bei Beibehaltung des derzeitigen Kurses praktisch unmöglich werde.

Die EU sei, so Orban, nun „in den Zustand des Zerfalls eingetreten“.

 

 

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