21. August 2025

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Umsetzung durch Bundesregierung: Durch die neuen WHO-Gesundheitsregeln drohen massive Grundrechtseinschränkungen

 

Die 2024 von der WHO beschlossenen Gesundheitsvorschriften sollen in Deutschland eingeführt werden. Das von der Bundesregierung dafür vorbereitete Gesetz soll unter anderem das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit einschränken.

Die Bundesregierung möchte die Möglichkeit von Grundrechtseinschränkungen im Rahmen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) einführen. Das geht aus einem im Juli vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf hervor. Darin wird die Umsetzung der IGV in nationales Recht definiert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte die bereits seit 1971 bestehenden Vorschriften im Juni 2024 durch die Weltgesundheitsversammlung erweitern lassen – und sich dadurch selbst mehr Einfluss in der internationalen Gesundheitspolitik zugesichert.

Gültigkeit erlangt die Neuerung aber erst, wenn sie auf nationaler Ebene von den Mitgliedsstaaten der WHO ratifiziert wird. Genau das bereitet die Bundesregierung jetzt mit dem „Entwurf eines Gesetzes zu den Änderungen vom 1. Juni 2024 der Internationalen Gesundheitsvorschriften“ vor. Nur drei Artikel umfasst das Papier: Während im ersten und im dritten lediglich Formalien erklärt werden, heißt es in Artikel 2: Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit der Person, des Brief- und Postgeheimnisses sowie der Freizügigkeit werden mit diesem Gesetz „eingeschränkt“.

Brisant ist auch, dass diese Feststellung nicht weiter erklärt wird, sondern in der Begründung lediglich auf Artikel 19 Absatz 1 des Grundgesetzes verwiesen wird, in dem es aber nur heißt: Wird ein Grundrecht durch ein Gesetz eingeschränkt, muss explizit genannt werden, um welchen Grundgesetzartikel es sich handelt – so wie es hier der Fall ist. In einer Schlussbemerkung wird dann noch einmal betont, die Neuerung sei „mit dem Recht der Europäischen Union und mit völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar“.

„Pandemische Notlage“ wird als diffuse Bezeichnung eingeführt

An den Entwurf ist auch ein Anhang beigefügt, in dem mehrfach auf die in die IGV aufgenommene Bezeichnung der „pandemischen Notlage“ verwiesen wird. Die Voraussetzung dafür ist, „dass die gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite von einer übertragbaren Krankheit verursacht wird und ein schnelles, gerechtes und verstärktes koordiniertes internationales Handeln erfordert“, heißt es in dem Entwurf unter Berufung auf Artikel 1 der IGV.

Neben diesen noch recht vage gehaltenen Punkten wird weiter ausgeführt, dass auch ein Risiko für die Ausbreitung der Krankheit in mehreren Ländern und die daraus folgende Überlastung der Gesundheitssysteme als Grund für die Ausrufung der pandemischen Notlage gelten kann. Auch anzunehmende „schwere soziale oder wirtschaftliche Störungen“ werden als Grund genannt.

In der Beschreibung zu Artikel 12 geht es dann um die Regelung, dass „der Generaldirektor beziehungsweise die Generaldirektorin der WHO festzustellen hat, ob eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite auch eine pandemische Notlage darstellt“. Auch in Artikel 15 wird die „pandemische Notlage“ beziehungsweise die „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ genannt.

Dazu heißt es im Anhang: „Zeitlich befristete Empfehlungen während einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite können zukünftig auch Gesundheitsmaßnahmen umfassen, die maßgebliche Gesundheitsprodukte betreffen.“ Mit solchen Produkten könnten etwa Impfstoffe gemeint sein. Derartige Empfehlungen sind zwar keine Weisungen, die Vertragsstaaten sind jedoch grundsätzlich angehalten, die Leitlinien der WHO umzusetzen.

So zum Beispiel bei der Bereitstellung von „Gesundheitsprodukten“ an weniger entwickelte Staaten. Denn in den Ausführungen zu Artikel 3 wird auf die „Förderung von Gerechtigkeit und Solidarität“ hingewiesen, die als Grundsatz in die IGV aufgenommen werden. „Damit sollen vor allem Missstände in der Reaktion auf die COVID-19-Pandemie adressiert werden, etwa hinsichtlich der Verfügbarkeit von Impfstoffen, die während der COVID-19-Pandemie sehr unterschiedlich zwischen den Staaten verteilt waren“, ist dem Entwurf zu entnehmen.

Mit anderen Worten: westliche Länder könnten künftig für die Arzneimittelversorgung ärmerer Länder aufkommen. Für Artikel 44 wird ein ähnlicher Punkt geltend gemacht – dort geht es um die finanziellen Mittel für die IGV. Diese müssten notfalls sogar erhöht werden – „auch über internationale Zusammenarbeit und Unterstützung“, heißt es in den IGV.

Damit werden die entwickelten Staaten zur Unterstützung ärmerer Länder aufgerufen: Vertragsstaaten verpflichten sich, „zusammenzuarbeiten, um den Zugang zu finanziellen Mitteln zu ermöglichen, der notwendig ist, um die Bedürfnisse und Prioritäten von Entwicklungsländern, einschließlich für die Schaffung, Stärkung und Aufrechterhaltung der Kernkapazitäten, gerecht zu berücksichtigen“, geht aus dem Schriftsatz hervor.

Ähnlich steht es auch im auf dem letzten Weltgesundheitstreffen im Mai beschlossenen Pandemieabkommen. Auch hier wurde in dem vorgelegten Entwurf bereits in der Einleitung darauf verwiesen, es bräuchte bei der Pandemieprävention die „Unterstützung durch internationale Kooperationen“, womit vor allem die „Unterstützung von Staaten mit größeren Kapazitäten und Ressourcen“ gemeint ist (mehr dazu hier).

Digitalisierung der Gesundheitsdokumente wird vorbereitet

Abseits von Finanzierungsfragen und dem Umgang mit der „pandemischen Notlage“ geht es in den IGV auch um organisatorische und bürokratische Abläufe, die aber nicht weniger brisant sind. So regelt Artikel 4 die Einführung einer nationalen Koordinierungsstelle. Diese soll zentrale Erkenntnisse an die WHO übermitteln, damit dort ein besseres Lagebild über Krankheitserreger und -bilder erstellt und künftige Pandemien besser bekämpft werden können, so die Argumentation.

Das geht einher mit einem hohen Datenfluss. Dahingehend ist auch Artikel 35 brisant. Hier wird die Möglichkeit dargestellt, künftig neben der herkömmlichen Form auch auf digitale Gesundheitsdokumente zu setzen, dabei könnte es sich zum Beispiel um Impfbescheinigungen handeln. „Die Erfahrungen der COVID19-Pandemie zeigten die Notwendigkeit, in den IGV auch digitale Gesundheitsdokumente zu regeln“, heißt es in dem Entwurf.

Obwohl all diese Punkte tatsächlich eine Zäsur in die internationale Gesundheitspolitik darstellen, versichern die offiziellen Stellen von Bundesregierung und WHO, dass mit der Verabschiedung der IGV nicht in die Souveränität der Länder eingegriffen wird. „Die staatliche Souveränität Deutschlands sowie nationale Maßnahmen zum Gesundheitsschutz bleiben davon unberührt“, heißt es in einer Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums zu dem von dem Kabinett am 16. Juli angenommenen Gesetzentwurf.

Dass dieser im Bundestag angenommen wird, gilt als sicher. Anschließend muss der Entwurf noch den Bundesrat passieren – doch auch diese Hürde dürfte aufgrund des ausbleibenden Widerstands gegen die Novellierung genommen werden. Im Bundestag steht nur die AfD den IGV ablehnend gegenüber. Weil die WHO die Ablehnungsphase für derartige Änderungen bereits 2022 von 18 auf zehn Monate heruntergesetzt hat, kann Deutschland nicht mehr aus den neuen IGV aussteigen – das Gesetz muss völkerrechtlich bindend implementiert werden.

 

 

Umsetzung durch Bundesregierung: Durch die neuen WHO-Gesundheitsregeln drohen massive Grundrechtseinschränkungen