Nach dem Ende des Streits mit dem WEF-Gründer Klaus Schwab übernimmt ein starkes Duo die Führung im Stiftungsrat. Aber nur vorübergehend: In zwei Jahren könnte die EZB-Chefin an die Spitze rücken.
Die Kuh ist vom Eis.“ Mit diesen Worten fasste ein Beteiligter die Übereinkunft zusammen, die das Schweizer Weltwirtschaftsforum (WEF) mit ihrem Gründer Klaus Schwab getroffen hat. Nach verschiedenen anonymen Vorwürfen gegen Schwab, die sich unter anderem um mutmaßlichen Spesenbetrug drehten, hatte der WEF-Stiftungsrat eine Anwaltskanzlei mit einer Untersuchung beauftragt.
Aus dem ihm nun vorliegenden Bericht hat der Stiftungsrat den Schluss gezogen, dass „keine Hinweise auf schwerwiegendes Fehlverhalten von Klaus Schwab“ vorlägen. Schwab selbst sprach in einer Stellungnahme von einer Vereinbarung mit dem WEF, „welche die gegenseitigen Beziehungen normalisiert und den Weg für eine fruchtbare Zusammenarbeit in der Zukunft ebnet“. Mit anderen Worten: Das Kriegsbeil ist begraben, die Schlammschlacht beendet. Aber einen wie auch immer gearteten Wiedereinstieg des 87 Jahre alten Patrons in die Stiftung wird es nicht geben, auch keinen Ehrenvorsitz.
Die Einigung geht einher mit einer Neuaufstellung an der Spitze des Stiftungsrats. Nach dem Eklat zu Ostern, als sich Schwab dazu gezwungen sah, sein Amt als Vorsitzender des WEF-Stiftungsrats aufzugeben, hatte Peter Brabeck-Letmathe dieses Amt interimistisch übernommen. Doch nun ist der ehemalige Nestlé-Chef zurückgetreten. Nach Informationen der F.A.Z. erfolgte dieser Schritt schon am vergangenen Dienstag. Am Ende der zurückliegenden Woche haben die Stiftungsratsmitglieder aus ihrem Kreis André Hoffmann und Larry Fink zu Ko-Vorsitzenden des Gremiums gewählt. Der Schweizer Hoffmann zählt zu den Familieneigentümern des Basler Pharmakonzerns Roche. Der Amerikaner Fink führt die von ihm gegründete New Yorker Investmentgesellschaft Blackrock.
Ausweislich der Pressemitteilung, die das WEF am Freitagabend dazu veröffentlicht hat, soll dieses Duo nur interimistisch die Führung übernehmen. Dies deutet klar darauf hin, dass Christine Lagarde in gut zwei Jahren das Zepter in der Stiftung übernehmen wird. Denn dann endet ihr Mandat als Präsidentin der Europäischen Zentralbank. Lagarde war und ist auch die Wunschkandidatin von Klaus Schwab. Aus Kreisen des WEF-Stiftungsrats, dem die 69 Jahre alte Französin schon angehört, wurde der F.A.Z. bestätigt, dass jetzt alles auf Lagarde hinausläuft.
Hoffmann und Fink ergänzen sich
Treibende Kraft hinter der Nominierung einer Doppelspitze, die bis zur Lagardes Inthronisierung den Stiftungsrat führen soll, war dem Vernehmen nach der Deutsche Thomas Buberl. Dem Vorstandsvorsitzenden des französischen Versicherungsriesen Axa könnte damit ein kluger Schachzug gelungen sein. Doppelspitzen funktionieren oft nicht sonderlich gut. Hoffmann und Fink indes ergänzen einander gut.
Hoffmann steht für das schweizerische Element in der Führung des Weltwirtschaftsforums, auf das politische Kreise bis hinauf in die Regierung in Bern pochen. Dort will man sichergehen, dass das prestigeträchtige jährliche Stelldichein internationaler Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik auch in der Zukunft in Davos stattfindet. Außerdem ist Hoffmann ein vehementer Vertreter eines nachhaltigen Wirtschaftens; Unternehmen sollten nach seiner Überzeugung nicht nur Gewinne maximieren, sondern auch einen positiven Beitrag für Gesellschaft und Umwelt leisten.
Den Ansatz, die Welt verbessern zu wollen, verfolgen die WEF-Programmplaner schon lange. Dem gegenüber stehen allerdings die Interessen der teilnehmenden Unternehmen und Unternehmer: Sie kommen für viel Geld nach Davos, um in kürzester Zeit möglichst viele nützliche Kontakte zu knüpfen und Geschäfte zu machen. Für diese Klientel ist der Blackrock-Chef Larry Fink genau der richtige Mann. Beide Männer vereint ihre Abneigung gegenüber Donald Trump, wobei sich Hoffmann diesbezüglich noch akzentuierter geäußert hat. Im Januar sagte er zur Wahl Trumps: „51 Prozent der Amerikaner glauben, dass ein korrupter alter Mann ihr Leben verbessern wird? Ich bin überzeugt, dass das nicht eintreffen wird.“

Aber warum ist Brabeck-Letmathe nach nur vier Monaten als Stiftungsvorsitzender zurückgetreten? Auf schriftliche Anfrage der F.A.Z. beantwortete er diese Frage wie folgt: Er habe am Dienstag dem WEF gekündigt, da er seine vorgesehene Aufgabe, einen unabhängigen Bericht über die Anschuldigungen vorzulegen, erfüllt habe. Es sei dann die Aufgabe des Stiftungsrats gewesen, diesen zu analysieren und weitere Schritte zu bestimmen. „Ich habe in meinem Kündigungsschreiben erklärt, dass ich angesichts meiner Wertevorstellungen und meines Integritätsgefühls nicht mehr der richtige Mann wäre, um den Stiftungsrat durch diese Etappe zu führen.“
Nach Angaben des „Wall Street Journals“ hat Brabeck-Letmathe in seinem Rücktrittsschreiben überdies auf das „toxische Arbeitsklima“ verwiesen, das er beim WEF über mehrere Monate erlebt habe. Der einzige Weg nach vorne sei, dass der Verwaltungsrat eine „einvernehmliche Lösung“ mit Schwab suche, um den Streit beizulegen. In einem kurzen Gespräch mit der amerikanischen Finanzzeitung sagte Brabeck-Letmathe: „Es gibt unterschiedliche Prioritäten und unterschiedliche Auffassungen darüber, was getan werden sollte und was nicht.“
„Geringfügige Unregelmäßigkeiten“
Diese Aussagen lassen Fragen offen. Gleiches gilt für die Pressemitteilung, in der das WEF sich zu den Erkenntnissen aus dem Untersuchungsbericht der Zürcher Anwaltskanzlei Homburger äußert. Den Report selbst hält der Stiftungsrat unter Verschluss. In der Mitteilung heißt es, dass es auch keine Hinweise auf ein Fehlverhalten von Schwabs Ehefrau Hilde gegeben habe. Es seien „geringfügige Unregelmäßigkeiten“ festgestellt worden, die auf eine unklare Abgrenzung zwischen persönlichen Beiträgen und der Tätigkeit des Forums zurückzuführen seien.
Diese spiegelten eher ein großes Engagement wider als die Absicht, sich falsch zu verhalten. Damit dürften die hohen Spesen gemeint sein, die Hilde Schwab über das Forum abgerechnet haben soll, ohne dass ein direkter Bezug zu dessen Arbeit erkennbar gewesen sei.
Der Stiftungsrat habe Maßnahmen ergriffen, um alle im Rahmen der Untersuchung festgestellten Probleme zu beheben. Dazu gehöre, die „Governance“ zu stärken. Dies ist als Eingeständnis zu interpretieren, dass die Kontrollen innerhalb der Organisation, die Klaus Schwab trotz des starken Wachstums jahrzehntelang wie einen kleinen Familienbetrieb geführt hat, vollkommen unzureichend waren. Dies gilt insbesondere für finanzielle Transaktionen. Die unprofessionellen Abläufe in der internen Organisation sorgen längst auch im Kreis der WEF-Partnerunternehmen für Verdruss. Diese berappen zum Teil mehrere Hunderttausend Franken im Jahr, um prominent in Davos am Ball zu sein. Die Unternehmen wollen gewährleistet sehen, dass ihr Geld ordnungs- und bestimmungsgemäß ausgegeben wird, heißt es im Umfeld des Stiftungsrat.
Strengere Regeln für den Stiftungsrat
Auch der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht sind die Strukturen ein Dorn im Auge. Sie moniert zum Beispiel, dass der WEF-Stiftungsrat mit seinen 29 Mitgliedern überdimensioniert ist. So sieht das auch die neue Führung: Nach F.A.Z-Informationen will sie nun einen Ausschuss bilden, in dem ausgewählten Stiftungsmitglieder klare Aufgaben und Kompetenzen zugeteilt werden. Die dazu notwendigen Satzungsänderungen sollen schon bald bei der Stiftungsaufsicht eingereicht werden.
Zudem soll es künftig ein formelles Verfahren zur Bestellung von Stiftungsräten geben. Bis zu seinem Abgang hatte Schwab nach eigenem Gutdünken, also gleichsam auf Zuruf, Personen in das Gremium geholt.
Dem Vernehmen nach nimmt das neue Führungsduo aber keinen Anlauf, um einen Passus aus der Satzung zu streichen, der Schwab mit seinem Ausscheiden aus dem Stiftungsrat das Recht gibt, ein Mitglied seiner Familie als Nachfolger zu bestimmen. In diese Richtung hat der Vater von zwei Kindern aber noch nichts verlauten lassen.

Zu den Vorwürfen der sexuellen Belästigung nimmt der Stiftungsrat indirekt Stellung: Man nehme zur Kenntnis, dass einige Mitarbeiter des Forums in bestimmten Fällen die Meinung geäußert hätten, „nicht zu ihrer Zufriedenheit behandelt worden zu sein“. „Der Stiftungsrat nimmt diese Angelegenheiten sehr ernst und bedauert zutiefst, dass es zu diesen Situationen gekommen ist. Auch hier wurden Maßnahmen ergriffen und umgesetzt, um sicherzustellen, dass die Grundsätze der Integrität, des Respekts und des verantwortungsvollen Verhaltens auf allen Ebenen unserer Organisation strikt eingehalten werden.“ Mit diesen Aussagen hofft der Stiftungsrat offenbar, die Whistleblower zu besänftigen und ruhig zu halten.
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schwab-nachfolge-wef-ebnet-weg-fuer-christine-lagarde-110640893.html