Ein Elternpaar wollte seine Tochter aus religiösen Gründen vom Schwimmunterricht befreien lassen. Das VG Freiburg wies die Klage ab: Das Betreten eines Schwimmbads sei keine „Todsünde“, sondern schlicht Teil des staatlichen Bildungsauftrags.
Ein Schwimmbad als moralische Gefahrenzone? Für die Anhänger der palmarianischen Kirche offenbar schon. Ein Elternpaar, das dieser strenggläubigen Gemeinschaft angehört, wollte seine Tochter vom Schulschwimmen befreien lassen. Der Grund: Bereits das Betreten eines Schwimmbads sei aus religiöser Sicht eine „Todsünde“ wegen der dort herrschenden „Zurschaustellung des Körpers“ und dem Tragen enganliegender Schwimmbekleidung.
Nachdem die Schule ihre Tochter nicht vom Schwimmunterricht freigestellt hatte, zogen die Eltern vor das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg – und unterlagen dort. Die jetzt vorliegenden Urteilsgründe zeigen deutlich: So einfach lässt sich der staatliche Bildungsauftrag nicht umgehen (Urt. v. 15.04.2025, Az. 2 K 1112/24).
Kein Ausnahmefall im Sinne des Schulrechts
Konkret betraf das Verfahren nur noch die im Jahr 2014 geborene Tochter des klagenden Ehepaars, die derzeit die vierte Klasse besucht. Für zwei ältere Geschwister hatte sich das Verfahren erledigt, weil für sie inzwischen kein Schwimmunterricht mehr vorgesehen ist.
§ 3 Abs. 1 der baden-württembergischen Schulbesuchsverordnung (SchulBesVO) sieht vor, dass Schüler in „besonders begründeten Ausnahmefällen“ vom Unterricht befreit werden können, etwa bei schwerwiegenden gesundheitlichen oder sonstigen Gründen. Doch nach Ansicht des Gerichts lag ein solcher Ausnahmefall in diesem Fall nicht vor.
Ein Eingriff in das religiöse Erziehungsrecht der Eltern sei zwar zu bejahen, denn sie müssten ihre Tochter einem Umfeld aussetzen, das im Widerspruch zu ihren Glaubensregeln stehe (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz (GG)). Dieser Eingriff sei jedoch zugunsten des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags (Art. 7 Abs. 1 GG) gerechtfertigt, denn dieser genieße seinerseits Verfassungsrang.
Die Kammer betonte, dass beide Verfassungsgüter in ein verhältnismäßiges Gleichgewicht gebracht werden müssten. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der praktischen Konkordanz verlangt dabei eine schonende Ausbalancierung kollidierender Grundrechte, etwa durch organisatorische Maßnahmen, die den Konflikt abmildern. Genau das war hier laut Gericht aber nicht möglich: Die Eltern lehnten jegliche Kompromisslösung kategorisch ab. Weder eine getrennte Umkleidekabine noch eine alternative Badebekleidung wie ein Burkini kamen für sie infrage. Sie wollten partout nicht, dass ihre Tochter überhaupt ein Schwimmbad betritt.
Gericht subsumiert: Es ist gar keine „Todsünde“
Die Eltern hielten an diesem strikten Tabu fest: Bereits das Betreten eines Schwimmbads sei aus ihrer Sicht nicht hinnehmbar. Damit, so das Gericht, werde jede Möglichkeit einer praktischen Konfliktlösung im Vorfeld ausgeschlossen. Eine Schule könne sich dem aber nicht pauschal unterwerfen, ohne ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag im Kern zu gefährden. Die schulische Integration in ein gesellschaftliches Miteinander, das Erlernen lebenspraktischer Fähigkeiten wie Schwimmen sowie der gemeinschaftliche Charakter des Unterrichts wögen schwerer als das von den Eltern geltend gemachte religiöse Verbot.
Auch das Argument, es handele sich beim Schwimmbadbesuch um eine „Todsünde“, überzeugte die Kammer nicht. Denn laut dem Katechismus – einer Art religiösem Regelwerk – der palmarianischen Kirche setze eine Sünde einen „freiwilligen Ungehorsam“ voraus. Die Teilnahme am Schwimmunterricht sei aber nicht freiwillig, sondern gesetzlich vorgeschrieben.
Selbst wenn man eine besonders gravierende Beeinträchtigung des religiösen Erziehungsrechts unterstellen wollte, überwiege in der Abwägung das öffentliche Interesse am staatlichen Bildungsauftrag. Schließlich stehe es den Eltern außerhalb des Schwimmunterrichts uneingeschränkt frei, ihre Tochter nach ihren religiösen Vorstellungen zu erziehen.
Ob die klagenden Eltern ihr Vorhaben weiterverfolgen, bleibt abzuwarten: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sie können binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stellen.
xp/LTO-Redaktion
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